Tierarzt – Studium aus Sicht einer Absolventin
Tierarzt - Studium - eine Tierärztin erzählt
In dem Artikel Tierarzt – Studium erzähle ich von meiner Studienzeit:
5 Gründe, warum junge Menschen ein Tierarztstudium beginnen wollen:
- Um mit Tieren zusammen sein zu können / mit ihnen zu arbeiten
- Um sie zu pflegen und zu schützen
- Um Tieren zu helfen
- Wissenschaftliche Neugier
- Um mit der Liebe zum Tier Geld verdienen zu können
In meiner Jugendzeit waren es 6 Punkte:
- Weil ich nicht weiß, was ich sonst studieren soll.
Auch mich hat der Wunsch zum Studium des Tierarztes vor 24 Jahren umgetrieben, nach vorher abgeschlossener Ausbildung zur Tierarzthelferin wusste ich jedoch im Gegenzug zu vielen meiner Kommilitonen, was mich erwartet.
Der Held meiner Kindheit, James Harriot, der Viehdoktor aus England der ab 1979 über die deutschen Fernsehbildschirme flackerte, hat meine Entscheidung sicherlich einerseits beeinflusst. Dass ich auf einem Bauernhof groß geworden bin und jeden Tag mit großen und kleinen Tieren verbracht habe, ist das Andererseits.
Der Studienbeginn in Berlin 1995 war für ein Dorfkind erstmal ernüchternd:
aus einem kleinen Dorf mit 700 Einwohnern stammend, ist die Umgewöhnung nach Berlin nicht so einfach. Dabei ist die Stadt wirklich grün und in manchen Regionen sogar eher dörflich. Trotzdem ist alles anders und Straßenbahnen, U-Bahnen, Dönerläden, Einkaufspassagen und Mengen an Menschen kannte ich nur aus dem Fernsehen.
Tierarzt – Studium – Vorklinik
Da stand ich also im Oktober 1995 in der Koserstraße in Berlin, wo ich 2 Jahre lang die Lehren der Anatomie an eingelegten Hundekadavern und toten Pferden üben durfte. Besonders die Testate sind mir bis heute in bleibender Erinnerung, wenn auch viele der damals gelernten lateinischen Fachbegriffe nicht mehr präsent sind. Geprüft wurde in Vierer oder Fünfergruppen. Je nach Thema der letzten Wochen mussten Ansätze der Muskeln am Vorderbein, Nervendurchtrittstellen am Kopf oder Knochenvorsprünge mit darüberziehenden Sehnen, Innervation der Baucheingeweide oder anderes hergebetet werden können. Hatte ein Prüfer schlechte Laune oder Stress, fiel einer durch. 2 x durfte man wiederholen, danach war Ende. Wer seine Anzahl an Testaten nicht erreichte, bekam keinen Schein für den erfolgreich besuchten Anatomiekurs und kam damit in den Semestern nicht weiter.
Dass mit den 3 Versuchen zieht sich durch das ganze Studium: immer 3 Versuche, dann ist man raus.
Viele sind an der Anatomie, der kalten Atmosphäre im Präpariersaal, dem Geruch der eingelegten Kadaver im Formalin und den Testaten gescheitert. Wir haben mit ca 200 Studenten angefangen. Im praktischen Teil, der nach 2 Jahren beginnt, gab es nur ca 100 Plätze. Und es hat gepasst.
Ich hatte immer das Gefühl, dass viele Prüfer innerlich Boni vergeben, wenn man zur angesetzten Prüfung erschienen ist. Je weiter das Studium fortschritt, desto öfter haben Studenten ihre Prüfungen geschoben, so dass die Prüfgruppen selten vollzählig waren, Besonders schlimm war es im Fach Biochemie:
Ich war in der Schule keine Leuchte in Chemie. Biochemie hat sich mir nie erschlossen, da mir die ganzen Grundlagen aus der Chemie gefehlt haben: aber ich bin zu der Prüfung gegangen, weil ich mir sicher war, dass es nicht besser werden würde. Und ich habe es geschafft.
Mein Ziel war mein Weg.
Tierarzt – Studium – Klinik
Dann kam die Zeit um in Dahlem zu studieren, dem Ort der Kliniken, und endlich mal wieder ein Tier zu sehen. In der Vorklinik gab es außer den toten Hunden und Pferden keinen lebenden Schwanz, außer man hatte ein eigenes Haustier mitgebracht.
An der FU Berlin gibt es für jede Tierart eine eigene Klinik- mit entsprechendem menschlichen Oberhaupt. Sehr unterschiedliche Charaktere sind einem da begegnet. Von der eher snobistischen Koryphäe in der Kleintierklinik über Napoleon Bonaparte der Pferdeklinik – klein und mit Ego-Komplex bis hin zum Kumpeltypen in der Wiederkäuerklinik war alles dabei. Die Leiter der Kliniken ließen sich immer dann blicken, wenn es darum ging in den Demos den Studenten auf den Zahn zu fühlen. Demos waren im Demonstrationssaal (kann man sich wie ein kleines Amphitheater vorstellen, nur drinnen) stattfindende Besprechungen von eingestallten Tierpatienten. Besonders hervorgetan hat sich seinerzeit der mit Komplexen behaftete Leiter der Pferdeklinik: klein und rund an Gestalt hat er seinem Ego in Form von Schikane der Studenten oft lautstark Luft gemacht, damit ihn ja keiner übersehen konnte. Fachlich war er sicherlich sehr gut, menschlich war es schwierig mit ihm auszukommen.
Es gab Kurse mit Anwesenheitspflicht, wie die Demos, bei denen auch Patienten aufgearbeitet und vorgestellt werden mussten: Anamneseerhebung, Befunde, Diagnosestellung, Therapie, bei denen durch Listen die Anwesenheit überprüft wurde. Und es gab Kurse, bei denen es eher wichtig war zur Prüfung das passende Thema und einen gut gelaunten Prüfer zu bekommen.
Bei einer Anfahrtzeit von fast 1 Stunde (Wohnort Neukölln) überlegt man sich, ob man an allen Vorlesungen teilnimmt.
An manchen Vorlesungen habe ich vielleicht 2 oder 3 x teilgenommen. Die Kunst war, bei der Prüfung ein Thema zu bekommen, das man beherrschte und nicht aufzufallen, dass man so viel geschwänzt hatte.
Tierarzt – Studium – Fazit
Alles in allem war es eine schöne Zeit in Berlin. Außer sich darum zu kümmern, die passenden Prüfungen abzulegen, die fast grundsätzlich in den Semesterferien stattfanden und die dafür notwendigen Nachweise zu erhalten, brauchte man sich um nicht viele Dinge sorgen. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass die Angst vor den Prüfungen schon einen großen Teil des Studiums ausgemacht hat. Aber wir hatten auch Freizeit und haben uns Berlin angeschaut. Andere haben oft Party gemacht und die Nächte zum Tag, auch das war möglich.
Da ich neben dem Studium im Tierheim gejobbt habe, waren meine Wochenenden meist mit Katzenboxen sauber machen, Streu auffüllen und Füttern verplant. Das war noch vor dem Neubau des Tierheimes. Eine sehr nette Crew damals, es hat viel Spaß gemacht und gut bezahlt wurde es auch.
Der Moment der Abschlußprüfungen kam schnell: schlaflose Nächte, viel Aufregung und Stress in Dauerschleife war nun die Tagesordnung. Auch mit Baby ist das zu schaffen! Unser Sohn wurde im August 2000 geboren, im Mai 2001 hatte ich meine Approbation, das ist die Zulassung als Tierärztin in Deutschland tätig zu sein.
Damit öffnete sich in der Welt eine neue Tür für mich.
Wenn Dich interessiert, wie es weitergeht, schau gerne wieder vorbei. Bei Fragen schreib in die Kommentare oder klick auf den Kontaktbutton.
Meine erste Assistentenstelle ist das nächste Thema dieser Serie.